Veganer:innen verzichten auf jegliche Art von tierischen Produkten, also nicht nur Fleisch und Fisch, sondern auch auf Milch, Eier und sogar Honig. Eine rein pflanzliche Ernährung kann Studien zufolge tatsächlich viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringen (wie zum Beispiel bessere Cholesterinwerte durch weniger gesättigte Fette) und ist bei Erwachsenen problemlos möglich, solange man sich abwechslungsreich ernährt und kritische Mikronährstoffe, wie zum Beispiel Vitamin B12 oder D, mittels Kapseln & Co. supplementiert.
Doch Kinder brauchen nun mal mehr Nährstoffe für ein normales Körperwachstum und eine gesunde Hirnentwicklung. Daher steht eine vegane Ernährung bei Kindern stark in der Kritik: Es sei unnatürlich und einige Menschen bezeichnen es sogar als Körperverletzung. Doch welche Risiken birgt eine rein pflanzliche Kost für den Nachwuchs wirklich und worauf muss man besonders achten, wenn man sein Kind vegan ernähren möchte?
Wir haben mit dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Sprecher des nordrheinischen Berufsverbands für Kinder und Jugendärzte (BVKJ) Dr. Axel Gerschlauer über dieses heikle Thema gesprochen.
Welche Vorteile hat eine vegane Ernährung bei Kindern?
"Die Vorteile einer vollwertigen veganen Ernährung bei Kindern sind bekannt und offensichtlich: Es stehen mehr Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse auf dem Speiseplan und keine ungesunden tierischen Fette", erklärt Dr. Gerschlauer.
Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) initiierte VeChi-Youth-Studie (Vegetarian and Vegan Children and Youth Study) untermauert die Aussagen unseres Experten. Sie untersuchte den Einfluss verschiedener Ernährungsformen (vegan, vegetarisch und omnivor – also Mischköstler:innen) auf die Nährstoffversorgung von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren. So aßen die kleinen veganen und vegetarischen Studienteilnehmer aufgrund der insgesamt gesünderen Lebensmittelauswahl besonders ballaststoffreich und verzehrten im Vergleich am wenigsten Knabberkram, Fertiggerichte und Süßigkeiten.
Außerdem bewies diese Studie aus dem Jahr 2021, dass vegan ernährte Kinder weniger zu Übergewicht und Herzkrankheiten neigen sowie einen niedrigeren Cholesterinwert haben. Die Studie wurde mit Kindern zwischen 5 und 10 Jahren durchgeführt und auch hier wurden die vegane, vegetarische und omnivore Ernährungsweise verglichen.
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Welche Nährstoffe fehlen veganen Kindern?
Ein Defizit an essenziellen (also lebenswichtigen) Nährstoffen kann bei allen Ernährungsformen auftreten, besonders mangelt es vielen Deutschen an dem Sonnenvitamin D. Essenzielle Nährstoffe sind unentbehrliche Stoffe für den Körper, denn wir müssen sie täglich über die Nahrung zuführen, da unser Organismus diese nicht selbst herstellen kann. "Bei der veganen Ernährung fehlen, durch das Weglassen aller tierischer Produkte, noch einmal mehr Nährstoffe als bei Misch- oder vegetarischer Kost", weiß der Experte.

Säuglinge und Kleinkinder sollten aufgrund der Gefahr für einen Nährstoffmangel nicht vegan ernährt werden
Schon bei vegetarischer Kinderernährung fehlen oft Eisen, Zink, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B12. Verabreichen sollte man vegetarischen Kindern besonders B12, die anderen Nährstoffe kann man durch andere pflanzliche Produkte ausreichend aufnehmen. Bei veganer Ernährung kommen dann noch mal zusätzlich Kalzium, Jod, Vitamin B2 und Selen hinzu. Hier sollte speziell auf die B-Vitamine und Kalzium geachtet werden, da sich diese hauptsächlich in Milchprodukten befinden.
Auch wichtig: Kinder reagieren anders auf einen Nährstoffmangel als Erwachsene, da bei Kindern mitunter irreversible Nervenschäden entstehen können und dadurch das Wachstum gestört werden könnte. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – dieser alte Spruch erklärt sich durch die viel höhere Empfindlichkeit noch wachsender Organe inklusive des Gehirns", so der Kinder- und Jugendarzt.
Welche negativen Folgen kann eine vegane Ernährung bei Kindern haben?
"Wenn nicht gründlich auf den Ersatz der kritischen Nährstoffe geachtet wird, kann es zu vielfältigen Mangelerscheinungen kommen", warnt Dr. Gerschlauer. "Die bekanntesten Folgen sind verschiedene Anämien (Blutarmut), die schwerwiegendsten sind bleibende Nervenschäden."
Allein Vitamin B12, eines der wenigen Vitamine, das nur in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch oder Eiern zu finden ist, trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel und zum Aufbau von Nervenhüllen bei. Und auch Kalzium und bestimmte Aminosäuren, die nur in Milchprodukten enthalten sind, sind verantwortlich für die Entstehung und Erhaltung von gesunder Knochenmasse. "Der Körper braucht nun mal zum gesunden Wachstum gewisse Mengen von Eiweißen, Vitaminen und Spurenelementen", erläutert der Arzt.
Ähnliche Erkenntnisse im Hinblick auf den Nährstoffmangel bei vegan ernährten Kindern bringt auch die bereits erwähnte, deutsche VeChi-Youth-Studie: Die Mikronährstoffe Eisen, Calcium, B12, Jod und Vitamin D waren besonders kritisch. Aber auch Kinder, die sich omnivor (also mit Fleisch, Milch & Co.) ernähren, zeigten einen Mangel an Vitamin D. Zudem zeigte sich, dass vegane Kinder Vitamin E, B1, C und Magnesium besser aufnehmen können als omnivore Kinder.
Das Fazit der Studie war, dass vegane Kinder, die die richtig dosierten Nahrungsergänzungsmittel nehmen und regelmäßig zum Arzt gehen, die Mikronährstoffe in ausreichender Menge für ihre Gesundheit aufnehmen. Allerdings konnten in der Studie noch nicht die Langzeitfolgen beobachtet werden und das Ergebnis ist daher kritisch zu betrachten.
Ab welchem Alter kann ich meine Kinder problemlos vegan ernähren?
Die meisten entscheiden sich aus Gründen des Tierwohls und Umweltschutzes für eine vegane Ernährung und das meist im jugendlichen Alter oder als junge Erwachsene. Und das ist tatsächlich ein gutes Alter, um sich mit der veganen Ernährung auseinanderzusetzen.

Jugendliche, die sich vegan ernähren möchten, sind häufig sehr motiviert und informieren sich gut über den Veganismus
Auch unser Experte empfiehlt eine vegane Ernährung erst in jugendlichen Jahren: "Hoch motivierte Jugendliche sind tolle Patient:innen. Die Notwendigkeit, sich gut und gründlich zu informieren, gesund und vollwertig zu essen und sich regelmäßig Blut abnehmen zu lassen, kann man problemlos mit Ihnen besprechen."
Allerdings rät der erfahrene Kinderarzt von einer veganen Ernährung bei Säuglingen dringend ab.
"Säuglinge sind naturgemäß am empfindlichsten und verzeihen kurzfristige Mängel am wenigsten. Stillende Mütter, die sich selbst vegan oder vegetarisch ernähren, sollten ihren Eisen- und B12-Spiegel kennen und am besten schon vor der Schwangerschaft auf Normwerte überprüfen."
Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät aufgrund des erhöhten Risikos einer Nährstoffunterversorgung und den daraus resultierenden Folgen auf die Gesundheit von einer dauerhaften, rein veganen Ernährung während der Stillzeit, Schwangerschaft sowie im Kinder- und Jugendalter ab. Stattdessen wird eine vegetarische Ernährung befürwortet.
Worauf muss ich achten, wenn ich mein Kleinkind trotzdem vegan ernähren möchte?
"Wenn man trotz gegenteiliger Empfehlungen der deutschen Fachgesellschaft sein Kleinkind vegan ernähren möchte, braucht man zwei Berufsgruppen mit im Team: die Kinder- und Jugendärzt:innen und qualifizierte Ernährungsberater:innen", empfiehlt Dr. Gerschlauer. Außerdem sollten regelmäßige Blutabnahmen gemacht werden, damit ein Nährstoffmangel ausgeschlossen werden kann.
Letztendlich sollte sich jeder, der sich (oder sein Kind) vegan ernähren möchte, vorab unbedingt mit der Ernährungsform auseinandersetzen, um einen möglichen Nährstoffmangel zu verhindern.
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Fazit: Ärzte raten von veganer Ernährung bei Säuglingen und Kleinkindern ab
Dr. Gerschlauer resümiert: "Ich habe großen Respekt vor der Gefahr eines Nährstoffmangels, der unter veganer Ernährung wahrscheinlicher ist als unter Mischkost. Auch, weil nicht genügend Studien und Daten zu veganer Kinderernährung vorliegen."
Ärzte raten weiterhin zur sogenannten "optimierten Mischkost" für Kinder, so auch Dr. Gerschlauer. Sprich: Eine abwechslungsreiche Ernährung mit dem Fokus auf frische und natürliche Lebensmittel, wie Obst, Gemüse und Getreide, in Kombination mit Milch und Milchprodukten, sowie in Maßen Fisch und Fleisch und nur geringe Mengen Zucker.
Quellenverzeichnis:
Alexy, U et al. (2021) Nutrient Intake and Status of German Children and Adolescents Consuming Vegetarian, Vegan or Omnivore Diets: Results of the VeChi Youth Study. Nutrients vol. 13,5 1707. 18 May. 2021, doi:10.3390/nu13051707
Desmond, MA et al. (2021) Growth, body composition, and cardiovascular and nutritional risk of 5- to 10-y-old children consuming vegetarian, vegan, or omnivore diets. The American journal of clinical nutrition vol. 113,6 (2021): 1565-1577. doi:10.1093/ajcn/nqaa445
Richter, M et al. (2020) Ergänzung der Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. zur veganen Ernährung hinsichtlich Bevölkerungsgruppen mit besonderem Anspruch an die Nährstoffversorgung, Ernährungs Umschau 2020; 5. Sonderheft: 64-72, doi: 10.4455/eu.2020.044
Deutsche Gesellschaft für Ernährung: DGE-Position zu veganer Ernährung, Positionspapier [Link] letzter Aufruf: 21.12.2023